Le sujet 2006 - Bac S - Allemand LV2 - Expression |
Avis du professeur :
Il faut écrire une lettre pour expliquer des sentiments. |
Die Musik meines Vaters
Mein zweiter Vater erschien einige Wochen vor
meinem 11. Geburtstag. Er war sehr jung,
bärtig und das, was man damals einen
langhaarigen Chaoten(1) nannte. Er liebte irische Musik und Neil
Young(2).
Seit mein Vater im Haus war, lebte auch Neil
Young bei uns. Die ersten sieben Jahre ging mir
5 seine Musik furchtbar auf die Nerven.
Alte-Männer-Rock'n'Roll. Die nächsten sieben Jahre gewöhnte
ich mich daran, dass andauernd Neil Young lief.
Geburtstag, Ostern, Weihnachten. Ich begann ihn zu
tolerieren. In den letzten sieben Jahren habe
ich ihn wirklich mögen gelernt. Ich besitze freiwillig
mehrere CDs. Wenn ich Neil Young höre, ist es,
als würde die Musik mich in den Arm nehmen. Ein
warmes Gefühl. Neil Young, das ist mein Vater.
Und mit ihm die Geborgenheit(3) meines Elternhauses.
10 Musik war ein wichtiges Medium in der DDR. Im
Gegensatz zur Literatur war es unmöglich,
sie fern zu halten. Bücher wurden einfach nicht
gedruckt und der Import verboten. Schluss. Aber
Lieder waren unkontrollierbar. Sie kamen durch
die Luft. Wenn die ersten Leute eine Melodie auf der
Straße summten(4), war es zu spät. Songs, die
westliche Radiostationen verließen, setzten sich wie
feiner Staub in die Ohren der DDR-Bürger.
Akustisches Kokain fürs Volk. Jeder kennt diese DDR-
15 Geschichten: den Schwarzmarkt, die gefälschten
Cover mit der böhmischen Blasmusik(5), bis zur
Unkenntlichkeit kopierte Kassetten, Bravo-Poster(6),
die ein halbes Monatsgehalt kosteten, und so
weiter. Musik stand für Hoffnung.
Jeder Hit, der das Wort frei enthielt,
wurde im Herzen eines Ossis zum Protestsong. Vor allem
die kraftvollen rebellischen Lieder der
sechziger und siebziger Jahre. Ich bin sicher, dass sich Bob
20 Dylan(2) niemals bewusst wurde, welche
Bedeutung sein Konzert 1987 in Ostberlin hatte. Und noch
weniger hat er jemals verstanden, wie
enttäuschend sein wortarmer Auftritt(7) war. Als wäre es für ihn
nur ein Punkt mehr auf einer Liste Iästiger
Pflichten(8). Für die Leute war es Gott schauen — aber Gott
ging vorüber, ohne sie eines Blickes zu
würdigen(9).
Ganz anders Neil Young. Er hat nie in der DDR
gastiert. Er konnte meinen Vater nicht
25 kränken. Seine Liebe zu ihm ist ungebrochen.
Anfang der neunziger Jahre spielte Neil Young
in der Berliner Waldbühne(10). Es war die erste
Chance, ihn live zu sehen. Wir kamen reichlich
spät und fanden nur noch ganz oben Platz. Die
Sommernacht rauschte mild. Kein Geschrei, keine
Unruhe — ein friedliches Happening. Es war toll.
Das bunte Publikum beeindruckte mich schwer.
Jogginghosen neben Philosophieprofessoren, Rentner
30 neben Schulkindern. Es ging durch alle
Sozialschichten und durch alle Generationen. Viele Familien
waren, wie wir, zusammen gekommen.
Offensichtlich war ich nicht als Einzige jahrelang mit Neil
Young gequält(11) worden — und
offensichtlich hatte ich auch nicht als Einzige am Ende klein
beigegeben(12)...
Mein Vater saß ganz ruhig da und schaute durch
sein Fernglas auf die Bühne. Ab und zu
35 stupste er mich und sagte: "Hier. Sieh mal
durch". Ich erkannte einen puppengroßen Mann mit Gitarre
und Mundharmonika. Im strahlenden Blick meines
Vaters sah ich, dass da unten ein ganzer
Lebenstraum stand. Sein Ideal von Freisein, von
Weite, von Unabhängigkeit. Neil Young zu sehen
war für ihn wie mit einer Harley Davidson die
Route 66(13) entlang zu rasen.
Claudia RUSCH, Meine freie deutsche Jugend, 2003
(1) Der Chaot : l'original, le
bohème
(2) Neil Young und Bob Dylan : célèbres chanteurs nord-américains
(3) geborgen sein : être à l'abri, se sentir entouré
(4) summen : fredonner
(5) böhmische Blasmusik : musique de fanfare (originaire de Bohème)
(6) Bravo : magazine ouest allemand pour adolescents
(7) der Auftritt : (ici) la prestation, le spectacle
(8) Iästige Pflichten : obligations pesantes
(9) in eines Blickes würdigen : accorder un regard à quelqu'un
(10) Berliner Waldbühne: scène de plein air à Berlin
(11) quälen : tourmenter, maltraiter
(12) klein beigeben : capituler
(13) Route 66 : route traversant les Etats-Unis, légendaire pour les motards
I.
Nach Neil Youngs Konzert in Berlin schreibt der Vater einen Brief an seinen
Bruder in Leipzig. Verfassen Sie diesen Brief. Beachten Sie dabei die Elemente
aus dem Text. (mindestens 80 Wörter)
II.
Behandeln Sie eines der folgenden Themen:
(mindestens 100 Wörter)
a. Ist Ihrer Meinung nach Musik eine Brücke oder ein trennender Faktor
zwischen den Generationen? Geben Sie Beispiele.
oder
b. Inwiefern können berühmte Menschen jungen Leuten helfen, ihre eigene
Identität zu finden?
EXPRESSION
I.
Lieber Bruder,
Gestern ist ein Traum für mich in Erfüllung
gegangen : Claudia und ich waren im Live-Konzert von Neil Young in der Berliner
Waldbühne. Wie gerne hätte ich diesen Moment mit dir zusammen erlebt ! Seine
Musik hat uns beide seit unserer Jugend fasziniert. Der Auftritt war
beeindruckend. Neil Young repräsentiert die Freiheit und Unabhängigkeit, die
wir vor der Wende leider nicht hatten.
Ich habe jahrelang auf ihn gewartet und er hat mich nicht enttäuscht.
Claudia versteht meine Leidenschaft jetzt besser. Dieser Abend war
unvergesslich. Wie kann ich dir die Atmosphäre beschreiben ? Es war unglaublich.
Kein Geschrei, keine Unruhe, einfach unbeschreiblich, welches Charisma Neil
Young immer noch hat !
Hoffentlich war es nicht sein letztes Konzert in Berlin.
Bis bald.
Dein Bruder Martin.
II.a. Musik kann beides sein, sowohl eine Brücke als auch ein trennender Faktor zwischen den Generationen.
Eine Brücke :
● Jugendliche
gehen zusammen mit ihren Eltern in ein Konzert.
● Ein Großvater möchte den Musikgeschmack seines Enkels kennen lernen.
● Ein Jugendlicher möchte, dass ihm seine Großmutter ihren
Lieblingsschlager aus den siebziger Jahren vorsingt.
●Junge Leute fragen ihre Eltern nach alten Schallplatten.
● Eltern erzählen ihren Söhnen und Töchtern von ihrem ersten Konzert.
● Eltern interessieren sich für das Hardrockkonzert in der Schule.
Ein trennender
Faktor :
● Die Eltern
kritisieren ständig die moderne Musik.
● Die Großeltern zeigen kein Verständnis für den Musikgeschmack ihrer
Enkel.
● Die Eltern verbieten laute Musik im Haus.
● Die Kinder sitzen mit ihrem Kopfhörer am Tisch.
● Die Jugendlichen lachen über die Aktivitäten im lokalen
Volksmusikverein.
● Die Jugendlichen wollen nur ihre CDs im Auto hören.
II. b. Berühmte Menschen sind immer ein Vorbild für junge Menschen. Es gibt viele positive Punkte aber auch Gefahren :
Positive Punkte :
● Sie können durch
ihre eigene Lebensgeschichte helfen und Mut machen.
● Sie können zeigen, dass sie an ihrem Ziel angekommen sind.
● Sie sprechen von ihren Schwierigkeiten in ihrer Karriere.
● Sie sind oft stark und geben nicht auf.
● Sie haben ihren Geschmack durchgesetzt.
● Sie haben eine starke Persönlichkeit.
● Sie beweisen oft, dass sie selbstbewusst sind und sich nicht um die
Meinung der anderen Leute kümmern.
Gefahren:
● Viele
Jugendliche identifizieren sich mit den berühmten Menschen.
● Sie glauben, dass es leicht ist, berühmt zu werden.
● Sie verlieren ihre eigene Identität und die Realität.
● Sie werden beeinflusst und haben Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Persönlichkeit.